Die Apokalypse ist das rätselvollste Buch des Neuen Testaments, dennoch ist ihr Inhalt für uns heute zentral. Ihre Bilder sind Offenbarung und Zukunftsschau der menschlichen und kosmischen Entwicklung. Sie lassen uns unsere Entwicklungssituation und geschichtlichen Phänomene verstehen, so dass wir den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft begegnen können.
Doch obwohl die Apokalypse ein so zentraler Gegenstand ist, finden sich nach Rudolf Steiner neben einigen Zeitschriftenaufsätzen nur zwei grössere Veröffentlichungen aus anthroposophischem Kontext. Eine fundamentale Arbeit hat Emil Bock während des zweiten Weltkriegs mit seinem Buch «Apokalypse. Betrachtungen über die Offenbarung des Johannes» verfasst. Die zweite Veröffentlichung zur Apokalypse erschien 1981 unter dem Titel: «Apokalypse. Die Verwandlung der Erde. Eine okkulte Mineralogie von Friedrich Benesch».
Rudolf Steiner hat sich vom Beginn seines Wirkens an bis zu seinem letzten Lebensjahr hin immer wieder der Apokalypse zugewendet und jeweils andere Zugänge zu ihr eröffnet. Diesen Zugängen und den daraus entstehenden Inspirationen ist die vorliegende Schrift gewidmet, die aus weitgehend umgearbeiteten Vorträgen einer Tagung zur Apokalypse des Johannes, im November 2017, am Goetheanum entstanden sind. Der Schwerpunkt der Beiträge liegt hierbei auf dem Aufleuchten des Ichs im Menschen sowie werkbiographische Gesichtspunkte zu Rudolf Steiners Forschungen an der Apokalypse.
Heute stehen wir nach drei Mal 666 Jahren in einer Zeit, in der nicht nur die kosmische Intelligenz in die Hände des Menschen gelangte, sondern in der bevorsteht, dass wir sie mehr und mehr der weltweit vernetzten Computerwelt, einer künstlichen Intelligenz übergeben. Eine Hyperintelligenz steht vor uns, vor der man sich bereits wie der Zauberlehrling zu fürchten beginnt. Diese Intelligenz wird möglicherweise den Transhumanismus einleiten. In dieser Situation geben uns die oftmals anspruchsvollen Bilder der Apokalypse Mut, dem Kampf um den menschlichen Geist nicht auszuweichen. Die Apokalypse ist heute schon ins Innere des individuellen Geistesstrebens, dass heißt in das Ich, eingezogen.
Christiane Haid/Jaap Sijmons
Christiane Haid, Jaap Sijmons Hg: Apokalypse im Ich. Anthroposophische Perspektiven auf die Apolalypse des Johannes, Verlag am Goetheanum, mit Beiträgen von Christiane Haid, Wolf-Ulrich Klünker, Anand Mandaiker, Mechtild Oltmann, Virginia Sease, Peter Selg, Jaap Sijmons und Vicke von Behr