Aus dem Grundsatz, dass Kunst eine menschenbildende Bedeutung hat, leitet Christiane Haid die Sektion für Schöne Wissenschaften am Goetheanum. Denn die durch Kunst erschlossenen Kräfte erhalten den Menschen in seinem Sein. Sie ermöglichen ihm, die Brücke zwischen dem Kosmischen und Irdischen zu schlagen und Bürger beider Welten zu sein.
Aktuell berührt Christiane Haid die Auseinandersetzung um Peter Handke, dem Nobelpreisträger für Literatur. «Wie konstituiert sich Wirklichkeit und was ist wahr? Das sind die Fragen, die für mich im Hintergrund stehen.» Es geht dabei um den Umgang mit Haltungen und Kritik sowie das Zulassen unterschiedlicher Zugänge zu Wirklichkeitserfahrungen und inneren Werten. Werden diese übergangen, kann das zu Verletzungen führen, die letztlich ein Miteinander unmöglich machen.
Erschließen von ‹Gesundquellen›
Die Arbeit am eigenen Menschsein findet in Veranstaltungen zu Grundwerken Rudolf Steiners wie ‹Anthroposophie. Ein Fragment› (GA 45) und „Die Geheimwissenschaft im Umriss“ ein bestätigendes Echo. Teilnehmende bezeichnen die Auseinandersetzung mit den Inhalten als ‹wohltuend› und als ‹Gesundheitsquelle›, auch und gerade gegenüber den Zeitläuften. Die jährlichen Tagungen zu den Evangelienzyklen Rudolf Steiners fanden dieses Jahr in der Veröffentlichung „Apokalypse im Ich. Anthroposophische Perspektiven auf die Apokalypse des Johannes“, Hg. Christiane Haid/Jaap Sijmons, einen schriftlichen Niederschlag. Sie sind Gelegenheiten die Entwicklung der Christologie im Werk Rudolf Steiners in ihrer Reichweite und Tiefe immer besser ausloten zu können.
Die Forschung zur Humanisierung durch Literatur führte den Blick von Ariane Eichenberg und Christiane Haid auf Klassiker wie ‹Parzifal› von Wolfram von Eschenbach, ‹Faust› von Johann Wolfgang Goethe und ‹Bunte Steine› von Adalbert Stifter sowie auf Gegenwartliteratur wie die von Peter Handke, Patrick Roth und Marica Bodrožić.
Der Mensch steht im Spannungsfeld von Kreativität und Intelligenz. Die digitale Technik fasziniert und kombiniert Muster aus Bestehendem. Der eigentlich schöpferische Akt bleibt aber allein dem Menschen vorbehalten, gerade in der Begegnung mit anderen Menschen. Die eigene Urteilskraft forderte die zweite Transhumanismus-Tagung, die zugleich eine Brücke zwischen Kunst, akademischer Wissenschaft und Anthroposopie schlug. Ein neuer Forschungszusammenhang hat sich ergeben, in dem Rudolf Steiners Aussagen zur Technik und die Fragen, die sich aus dem Transhumanismus ergeben, bearbeitet werden soll. | Sebastian Jüngel